Mittwoch, 28. Juni 1989

Monte Rosa 1989 - über den Turlo Pass in das Valsesia

Heute steht eine lange Wanderetappe über den 2.738 m hohen Turlo Pass in das Valsesia an. Mehr als 1.400 m im Auf- stieg und 1.200 m im Abstieg sind auf der Route zu bewältigen, die bereits vor ca. 1.000 Jahren die Walser genutzt haben. Auf Vorgabe der Bergführer sollen die schwächeren Teilnehmer diesen Weg zu Fuß gehen, um noch etwas für ihre Kondi- tion zu tun. Einige stärkere Teilnehmer fahren mit Autos voraus und transport- ieren das Hauptgepäck.
So früh im Jahr liegt in der Höhe noch viel Schnee. Außerdem ist das Wetter am Pass nicht besonders gut und sorgt für schlechte Sichtverhältnisse. Die Orien- tierung ist jedoch unproblematisch.

Dienstag, 27. Juni 1989

Monte Rosa 1989 - Zwischenaufenthalt in Macunaga-Staffa

Blick auf Macunaga-Staffa aus der Seilbahn
Nach drei Tagen Aufenthalt auf dem Rifugio Malnate fahren wir hinunter auf 1.300 m nach Macunage-Staffa im Valle Anzasca, wo wir in einer Pension über- nachten. Ein vorübergehendes Verlassen der Höhe ist nicht nur für die Höhenan- passung von Vorteil, sondern auch für unsere in den letzten Tagen etwas ver- nachlässigte Körperhygiene. Den Ruhe- tag nutzen wir aktiv mit einer langen Wanderung im wunderschönen Valle Quarazza. Am Abend verabschieden wir uns in Macunaga bei einem Raclette von Dino, unserem Hüttenwirt des Rifugio Malnate. In 10 Tagen werden wir zum Abschiedsabend zurück sein.

Montag, 26. Juni 1989

Monte Rosa 1989 - Rif. Malnate, Base Camp unserer Vorbereitung auf die Welt der 4.000er

Monte Rosa Ostwand mit Signalkuppe (rechts) aus Richtung Monte Moro Pass
Zur Vorbereitung der Monte Rosa Tour haben wir das 2.774 m hoch gelegene Rifugio Malnate bezogen. Die Wolken haben sich nach der ersten Nacht ver- zogen. Außerhalb der Hütte befindet sich unser Waschplatz, eine Wasserstelle, die mit eiskaltem Schmelzwasser versorgt wird. Von dort schauen wir auf die Ostwand des Monte Rosa Massivs, die vom Gipfel der Signalkuppe bis ihrem Fuß 2.600 m abfällt und die mächtigste Wand der Alpen ist. Auf dem Gipfel der Signalkuppe befindet sich in der Höhe von 4.554 m mit der Capanna Regina Margherita das am höchsten gelegene Schutzhaus des  Alpenraums. In 10 Tagen wollen wir zur Signalkuppe auf- steigen und auf der Hütte übernachten.

Sonntag, 25. Juni 1989

Monte Rosa 1989 - Anreise nach Macunaga zur Vorbereitung auf die Welt der 4.000er

ehemaliges Rifugio Malnate
"L'amore del denaro e vivere la libertà" (liebe das Geld und lebe die Freiheit) - Trinkspruch des Hüttenwirtes Dino auf der Malnatehütte. 1989 sind wir mit einer geführten Gruppe für einige Tage in dieser Hütte, um uns für die Tour in das Monte Rosa Massiv vorzubereiten. Wir staunen nicht wenig, als wir bei Ankunft in der Hütte an der Wand ein Foto mit Widmung von "Klaus dem Geiger" entdecken. Der in Köln stadtbekannte Geiger mit klassischer Ausbildung hat sich in seinem zweiten Leben für eine Aussteigerkarriere als alt-linker Straßenmusiker entschieden. Dino, ebenfalls ein Aussteiger einer bekannten Mailänder Familie, trifft in Köln auf Klaus. Die beiden verstehen sich auf Anhieb, werden Freunde. Klaus war in der Zwischenzeit Dinos Gast in der Hütte, die an dem auch historisch bedeutenden Monte Moro Pass liegt.  
Der Übergang zwischen dem Saastal auf schweizer Seite und dem Valle Anzasca in den italienischen Alpen dient seit langer Zeit als wichtige Verbindung zwischen den Alpentälern. Er war schon zur Römerzeit bekannt und alemannische Stämme, die seit dem Jahr 1000 als Walser bezeichnet werden, haben von 1100 bis 1400 diese Route des großen Walserweges genutzt. Inzwischen führt der große Rundweg der Tour Monte Rosa, der teiweise dem großen Walserweg folgt, ebenfalls über den Monte Moro Pass. Die Tour Monte Rosa, die wir im Jahr 2004 gegangen sind, gab es 1989 noch nicht. Heute gibt es das Rifugio Malnate nicht mehr. An ihrer Stelle befindet sich jetzt das Rifugio Gaspare Oberto. Die intensiven Erinnerungen an eine traumhaft schöne Tour, mit der sich uns eine völlig neue Welt erschliesst, motiviert nach mehr 20 Jahren zu einer nachträglichen Dokumentation.